Improvisation in der Mediation


Teil 1: Struktur und Bedeutung der Improvisation

Herzlich willkommen zur dritten Ausgabe unseres Newsletters.

In dieser Ausgabe widmen wir uns einem faszinierenden und äußerst wichtigen Thema: der Improvisation in der Mediation. Aufgrund der Bedeutung dieses Themas für den Mediationsprozess erscheint dieser Artikel in zwei Teilen. Die Fähigkeit zur Improvisation ist für Mediatoren/innen von zentraler Bedeutung, um effektiv auf die komplexen und oft unvorhersehbaren Herausforderungen im Mediationsprozess zu reagieren. Inspiriert von den Theorien des renommierten Wissenschaftlers Karl E. Weick und den Prinzipien der Jazzmusik, beleuchten wir, wie kreative und unkonventionelle Ansätze – die wir in Anlehnung an die Jazzmusik auch als "Blue Notes" bezeichnen könnten – die Mediation bereichern und nachhaltige Lösungen ermöglichen können.


Entdecken Sie, wie Visualisierungstechniken, Metaphern, Rollenspiele und andere innovative Methoden Mediatoren dabei helfen können, flexibel und effektiv zu agieren. Lassen Sie sich inspirieren von den Möglichkeiten, die sich durch die Integration von Skulpturarbeiten und humorvollen Interaktionen eröffnen, um den Mediationsprozess zu bereichern.

Das Phasenmodell als Anker

Das Mediationsverfahren folgt in der Regel einem strukturierten Phasenmodell, das als Anker dient und den gesamten Prozess leitet. Dieses Modell besteht typischerweise aus fünf Phasen:



U-Prozess des Mediationsverfahrens

  1. Eingangsphase: In dieser Phase werden die Parteien begrüßt, die Regeln und Prinzipien der Mediation erklärt und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Es wird ein Rahmen geschaffen, in dem die Parteien sicher und offen kommunizieren können.
  2. Darstellung der Konfliktthemen: Hier haben die Parteien die Gelegenheit, ihre Sichtweisen und Anliegen darzulegen und zu klären. Der Mediator sorgt dafür, dass jede Partei gehört und verstanden wird.
  3. Ermittlung der Interessen und Bedürfnisse: In dieser Phase geht es darum, die tieferliegenden Interessen und Bedürfnisse der Parteien zu identifizieren. Der Mediator hilft, diese zu formulieren und transparent zu machen.
  4. Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten: Die Parteien erarbeiten gemeinsam verschiedene Optionen zur Konfliktlösung. Der Mediator unterstützt den kreativen Prozess und sorgt dafür, dass alle Ideen gleichwertig berücksichtigt werden.
  5. Vereinbarung und Abschluss: Die Parteien entscheiden sich für eine oder mehrere Lösungen und halten diese in einer Vereinbarung fest. Der Mediator stellt sicher, dass die Vereinbarung klar und umsetzbar ist.

Bedeutung der Flexibilität: Von der Struktur zur Improvisation



Systemische Skulpturarbeit


Das Phasenmodell bietet eine wichtige Struktur und Orientierung im Mediationsprozess, ähnlich einem Rahmenwerk in der Musik. Doch genauso wie Jazzmusiker, die sich innerhalb eines strukturierten musikalischen Rahmens bewegen, müssen auch Mediatoren die Fähigkeit zur Improvisation besitzen.

Die Überlegungen von Weick und die Analogie zu Jazzmusikern

Karl E. Weick hat in seinen Arbeiten die Bedeutung der Improvisation in Organisationen hervorgehoben und dabei eine interessante Analogie zur Jazzmusik gezogen. In der Jazzmusik spielen "Blue Notes" eine unterstützende Rolle – sie sind Momente, in denen Musiker bewusst von konventionellen Mustern abweichen, um etwas Neues und Ausdrückliches zu schaffen. Diese Fähigkeit zur Improvisation ist nicht nur in der Musik, sondern auch in der Mediation von großer Bedeutung.

Weick beschreibt Improvisation als einen fortlaufenden Prozess der Neudefinition dessen, was passiert, und des Lernens als Nebenprodukt dieser Neudefinitionen. Dies bedeutet, dass Menschen nicht nur darüber lernen, was sie bereits wissen, sondern wie sie das konstruieren, was sie nicht wissen:

„Improvisation is a process of continuously redefining what is happening, and learning is the by-product of these redefinitions. People are not learning about what they already know; they are learning about how they are constructing what they don’t know.“ (Weick, K. E. - "Sensemaking in Organizations")

Die Rolle der Jazzmusiker in Weicks Theorie

Weick betont, dass Jazzmusiker, im Gegensatz zu klassischen Musikern, darin geschult sind, zu improvisieren und auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren. Diese Fähigkeit ermöglicht es ihnen, in Momenten der Unsicherheit und Veränderung kreativ und spontan zu agieren:

„Jazz musicians, unlike classical musicians, are trained to be skilled at improvising. They are prepared to perform in situations that demand instantaneous composition. This ability to create on the spot is akin to organizational members who must adapt to rapid changes and unexpected challenges in their environments.“ (Weick, K. E. - “Organizational Culture as a Source of High Reliability”)

Bedeutung der Improvisation in Mediationsverfahren

Die Fähigkeit zur Improvisation ermöglicht es Mediatoren/innen, flexibel auf die spezifischen Bedürfnisse und Dynamiken eines Mediationsverfahrens einzugehen. Dies ist besonders wichtig, da Konfliktsituationen oft unvorhersehbar sind und starre Vorgehensweisen nicht immer effektiv sind. Improvisation kann dabei helfen, kreative und nachhaltige Lösungen zu finden, die den Interessen und Bedürfnissen aller Parteien gerecht werden.

Improvisation in der Mediation bedeutet, dass Mediatoren/innen in der Lage sind, etablierte Methoden zu variieren und zu kombinieren sowie unkonventionelle Ansätze zu nutzen, um den Mediationsprozess voranzubringen. Diese Flexibilität ist entscheidend, weil sie es den Mediatoren/innen ermöglicht, auf unerwartete Entwicklungen im Prozess zu reagieren und die spezifischen Bedürfnisse der Konfliktparteien individuell zu adressieren. Unkonventionelle Ansätze können den Prozessverlauf unterstützen, indem sie:

  • Kreative Denkprozesse anregen: Durch den Einsatz ungewöhnlicher Methoden können Mediatoren/innen neue Perspektiven eröffnen und die Parteien dazu ermutigen, außerhalb der gewohnten Denkmuster zu denken.
  • Emotionale Barrieren überwinden: Unkonventionelle Ansätze, wie der Einsatz von Metaphern oder symbolischen Objekten, können den Parteien helfen, ihre Gefühle auf eine andere Weise auszudrücken und emotionale Blockaden zu lösen.
  • Interaktive Beteiligung fördern: Techniken wie Rollenspiele oder systemische Skulpturenarbeit binden die Parteien aktiv ein und machen den Prozess greifbarer und dynamischer.
  • Vertrauen und Offenheit stärken: Humorvolle Interaktionen oder kreative Methoden können eine entspannte Atmosphäre schaffen, die das Vertrauen zwischen den Parteien und dem Mediator/in fördert und die Offenheit für neue Lösungswege erhöht.


In Teil 2 werden wir die kreativen Freiräume der Mediation weiter vertiefen und uns unkonventionelle Ansätze und Methoden ansehen, die Mediatoren/innen helfen, flexibler und effektiver zu agieren. Diese kreativen Freiräume ermöglichen es, über traditionelle Methoden hinauszugehen und innovative Lösungen zu finden, die speziell auf die individuellen Bedürfnisse der Konfliktparteien zugeschnitten sind. Wir werden uns insbesondere auf folgende Themen konzentrieren:

  • Die Nutzung von Metaphern und Geschichten zur Darstellung von Konflikten
  • Der Einsatz von Rollenspielen und Perspektivwechseln zur Förderung des Verständnisses
  • Techniken wie Spiegeln und Loopen zur Verbesserung der Kommunikation
  • Zirkuläre Fragestellungen zur Vertiefung des Verständnisses von Konfliktdynamiken
  • Die Integration von Skulpturarbeiten und ergänzenden systemischen Methoden



Tetralemma-Modell in praktischer Anwendung.


Wir freuen uns darauf, Ihnen im nächsten Newsletter praktische und innovative Methoden vorzustellen, die Ihre Mediationspraxis bereichern können.


Bleiben Sie gespannt auf Teil 2, der nächste Woche erscheint!




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